Ein in Vergessenheit geratenes Betriebsgebäude?

Für viele Einwohner in Werder unbekannt liegt auf dem ehm. Grundstück des Ackerhofs Nr. 18-19 jetzt Wasserburg-Straße Nr. 9 ein nicht besonders herausragendes kleines Gebäude mit einer betrieblichen Vergangenheit.- Von den älteren Einwohnern ist bekannt, daß es die alte „Molkerei“ oder vielmehr eine Milchausteilungsstelle, erbaut von den Milchviehaltern in Werder, einmal war.- Es konnte sich von den Einwohnern, wer keine eigene Milchquelle hatte, da Frischmilch für seinen Haushalt holen, ansonsten soll auch Kochkäse und Quark in geringer Menge hergestellt worden sein. Ob auch „Gebuttert“ wurde konnte keiner bestätigen, daß die Milch jedoch entrahmt wurde und der Rahm (Sahne) an einen Aufkäufer ging hat man sich erinnern können.- Für die wenigen Milchbetriebe im Ort zu damaliger Zeit, eine eigene Molkerei mit Produkt -Herstellung zu bauen, eine mutige Entscheidung; -Hatte man zu jeder Jahreszeit genügend Rohmilch um den Abnehmer bedienen zu können, oder schließen wir uns lieber dem Nachbarn an, denn Personal wurde auch gebraucht. – Man hat sich wohl auch für den Bau entscheiden können, da die eigene Herstellung von Butter und Käse in den bäuerlichen Haushaltungen zurück ging, Personal, was noch vor Jahrzehnte auf den Ackerhöfen zum Brotbacken, Buttern u. zur Käse Herstellung vorhanden war ist zum Teil in die Städte gezogen, die Verdienstmöglichkeiten waren dort weitaus besser. – Auf den Höfen mit Milchhaltung wurden die Kühe noch mit der Hand gemolken, was zeitaufwändig und mit nur viel Personal zu bewältigen war, nun lieferte man lediglich die Rohmilch ab und erhielt im Gegenzug Molkereiprodukte und eine monatliche Geldzahlung, In den Jahren zwischen 1890 und 1910 bildeten sich viele Molkereien.- Und nun steht sie immer noch da !

In den oberen Formularen von 1890/91 sind die drei 30 Hufe großen Ackerhöfe, die Mühle mit ihrem Kothhof der durch Verkauf an einen Gottfried Dormeyer abgetrennt wurde und einen Anbauer aufgeführt. – Ein Anbauer hatte meistens ein Handwerk als Zubrot dabei.

In Werder wurden nach diesen Angaben 1890/91 – 89 Stück Rindvieh und 22 Pferde gehalten, wenn wir 1/3 vom Rindvieh als notwendige Nachzucht abziehen bleiben für die Milchproduktion an die Molkerei 60 Milchkühe. Die Milchabgabe einer Kuh lag bei 300 Melktagen im Jahr 1890/91 bei ca 2000 Ltr. x 60 Kühe = 120000 Ltr. im Jahr standen für die Verarbeitung in der Molkerei somit an.

Die ehemalige Molkerei

Die polt. Gemeinde war bei so starker Viehhaltung verpflichtet einen Deckbullen zu halten, die Betreuung von dem Tier fand auf einem Milchviehbetrieb statt. – Wenn bei einer Kuh der Eisprung erfolgte, zog man nach vorheriger Anmeldung mit der Kuh zum Bullen.

– Da eine Molkerei in aller Regel auch einen Schornstein besitzt, der aber an diesem Gebäude der ehm. Molkerei fehlt, könnten Zweifel aufkommen.- Denn wenn ein Produkt aus der Milch erstellt werden soll, braucht es auch Wärme die zu damaliger Zeit durch eine Feuerstelle die mit Holz, Kohle oder Koks erzeugt wurde.

Foto ca 1942 – Das könnte bei dem heutigen Verkehr auf der Wasserburgstrasse zum Stau führen!

Dieses Foto zeigt uns auf der rechten Seite hinter der Mauer das Molkereigebäude, und es war sogar ein runder Industrieschornstein in Kurzform vorhanden.-Zu diesem Zeitpunkt ca. 1942 war die Milchsammelstelle schon lange nicht mehr in Betrieb, denn als in einigen Ambergau-Dörfern Milchbetriebe dafür warben, eine Zentral liegende Molkerei in Bockenem für alle Orte zu bauen, haben sich die Milchproduzenten 1911 aus Werder sofort angeschlossen.

In diesem Schrieb wird eine Anfrage der Molkerei Werder beantwortet.
-Betr:- Auslage von Butter auf dem Ausstellungsgelände.
– Demnach wurde auch Butter hergestellt.
Sogar ein so leckeres Produkt 
wie Chokolade wurde hergestellt,
leider ist das Ergebnis der
Probe nach über 4 Jahren unbekannt.
-Eine weitere Herstellung ist
dann wohl nicht erfolgt.
Ausstellungsgelände
Das Ausstellungsgelände

Die nicht entwerteten Eintrittskarten und der Schriftverkehr mit dem Vorstand deuten eher auf eine nicht Teilnahme an der Ausstellung hin.-

Diese Zufallsfunde waren es, einen kurzen Informationsbericht über in Vergessenheit geratene Ortsgeschichte zu berichten !

Die Gründung der“ Zentral-Molkerei-Ambergau“ in Bockenem,e.G.M.b.H.

Ihr haben sich die Milchbetriebe in Werder dann 1911 angeschlossen, in diesem Bericht ist das Protokoll der ersten Sitzung am 7. Februar 1911 – Gründungsprotokoll vom 28. Februar 1911 und ein Versammlungs-Protokoll vom 8.März 1935 in dem Fritz Philipps als Stimmenzähler ernannt wird. Mit einzelnen Fotos der neu gegründeten Molkerei werde ich nicht weiter auf die Molkerei eingehen, da sie nicht unser Dorf betrifft.

Im Vordergrund die Bundesstraße B 243

Das unter Punkt 1. der Sitzung vom 7 Februar 1911 erwähnte Siechenhaus von Bockenem lag im Mittelalter außerhalb der Stadtmauer und diente zur Unterbringung von Pest u. Seuchenkranken aus der Stadt.


Mit einem Pferdegespann und Wagen, später auch einem luftbereiften Milchwagen wurden die 20 Ltr. Kannen von den einzelnen Höfen von einem Bock, der vor dem Hofgrunstück stand auf den Milchwagen gehievt, und bei jedem Wetter, Sonn. u Feiertags zur Verarbeitung in die Molkerei nach Bockenem gefahren.

Herr Friedhoff fuhr den Milchwagen bis 1962 mit dem Pferdegespann.
Der Milchwagen aus Werder auf der Molkerei.

Milchböcke hatten auch für die Jugendlichen in den Dörfern eine lange Tradition als Treffpunkt für Verabredungen, man wusste, wer zu welcher Zeit dort anzutreffen war. -Auf diesem Bock z.B. traf man sich immer für einen Kinobesuch in Schlewecke, auf dem Saal von Gaststätte Schmidt.

Hier im so genannten Unterdorf begann auch der Milchfahrer mit seine Tour, auf diesen Milchbock stellten gleich drei Lieferanten ihre Kannen, welches für den Milchfahrer als Zeitersparnis durch weniger Haltestellen galt, jeder mit seiner eigenen Kontrollnummer zur Abholung bereit.- ( Wir warten auf Abholung )!

Die Nachnutzung der Milchverteilungsstelle (Molkerei) in Werder.

Wie schon der erwähnte Zuchtbulle, hatte die polt. Gemeinde auch die Pflicht für die Ziegenhalter in Werder einen Bock zu halten.-Der war bis zu ihrem Abriss in einer nicht mehr bewohnten Hofstelle auf dem ehm. Grundstück Litt. h-8 von Kothsass Conrad Bartels 1769 erbaut, untergebracht. ( Die Ziegenhalter nannten es Bocksvilla ) – Diese Hofstelle wurde durch Erbfolge aufgegeben und noch brauchbare Bauteile für einen Neubau in der Nachbarschaft verbaut.

links neben dem Pferd die ehm. Hofstelle von Kothsass Conrad Bartels Litt. h-8 (Bocksvilla)

Der Ziegenbock benötigte nun einen anderen Stall, ließ sich eine so geeignete Stelle wie (Bocks- Villa) wieder finden, die so weit außerhalb eines bewohnten Gebäudes lag.- Einen Zuchtbock in die Nähe eines bewohnten Haus unterzubringen aus folgendem Grund auf Ablehnung gestoßen, denn ein solches Tier stand immer im Stall mit ungenügender Belüftung und schlief auch auf seinen von ihm mit Urin parfümierten Mist.- Dieser strenge Geruch schreckte natürlich jede Nachbarschaft mit ihm ab.- Es ergab sich nun zufällig, die nicht mehr benötigte Milchlsammelstelle als Deckstation für die Ziegenhalter herzurichten, was auch geschah.

Wo niemand mit rechnen konnte:-Werder´s Einwohner verdoppelten sich nach dem Krieg schlagartig ,es wurde zur Unterbringung der geflüchteten Neubürger jede Kammer benötigt.-

Neben der Michsammelstelle, so das noch eine Wandseite von ihr mit genutzt wurde, errichtete man einen Anbau für den Ziegenbock.- In die alte Molkerei zog wahrscheinlich ohne Widerspruch gegen den pedantischen Geruch eine Witwe mit drei Kindern ein. – Der Vorbau auf dem Foto (Alte Molkerei) ist wohl dadurch entstanden um das Wetter nicht direkt vor der Wohnungstür zu haben, es war eine feuchte kalte Wohnung, die ich gut kannte da ein Junge der Familie ein guter Schulfreund von mir war.

Mein Schulfreund ca 1951
Schülergruppe ca. 1954

Nach ein paar Jahren schafften immer mehr Ziegenhalter aus Altersgründen ihre Ziegen ab, der Ziegenbock wurde arbeitslos und somit von der Gemeinde abgeschafft.- Einzelne zogen zum Decken der Ziege nach Schlewecke.- Die Mutter der drei Kinder verstarb 1962, zwei Jungens zogen aus Werder weg, mein Freund zog in die ehm. Lehrerwohnung der alten Schule.

Bernd Meier